So oder so ähnlich tönt es allenthalben, wenn im Kreise alter Männer das Thema auf die nachfolgenden Generationen kommt. Kein Biss, kein Einsatz, kein Plan, keine Lust auf Überstunden, auf Wettbewerb und Verbindlichkeit. Zusammengenommen ein Haufen von verweichlichten Prinzen und Prinzessinnen, deren Welt sich nur um sie selbst dreht.
Jetzt bin ich auch ein alter weißer Mann und finde an diesem permanenten sich selbst für den Nabel der Welt zu halten, da ist schon irgendwie etwas dran, aber dennoch sind all diese Statements nicht nur ungerecht, sondern auch schlichtweg falsch! Denn da spielt viel Nostalgie und ein verzerrtes Selbstbild mit rein, und auch ein gehöriges Maß an Ignoranz. Übrigens nicht nur von alten weißen Männern, sondern auch von alten weißen Frauen. Denn genauso wie es toxische Männlichkeit gibt, gibt es auch toxische Weiblichkeit. Ich kann nämlich nicht behaupten, dass Frauen in Führungspositionen, zumindest die, die ich kennenlernen durfte, allesamt generell von Empathie getrieben und mit besonderen Führungsfähigkeiten gesegnet wären. Die Anzahl kleinkarierter, neurotischer und eitler Selbstdarsteller*innen scheint mir im gesamten Genderspektrum sehr ausgeglichen.
Aber kommen wir wieder zurück zum eigentlichen Thema: je älter ich werde, desto mehr sehe ich wie Menschen an diesem System zu Grunde gehen. Auch viele alte weiße Superhelden. Oder, um denn Sarkasmus wegzulassen, gerade die Leistungsträgerinnen und -träger, von denen man das nicht vermutet hätte.
Ein System, dass dir weißmacht, du müsstest nur hart genug und bis zur Selbstaufgabe arbeiten, das frisst im Laufe deines Berufslebens jede Energie, jede Kreativität und jede Motivation auf und kotzt dich dann als seelisch und körperlich schwer Verwundeten wieder aus. Verbogen bis zur Unkenntlichkeit, mit Herzinfarkt, Burnout oder Depression. Solange die Leugnung anhält, hält man andere für Versager und sich selbst für den Maßstab. Und kommt dann schließlich die Erkenntnis, erzwungen oder auch nicht, dann ist es meistens schon zu spät.
Wenn die Generationen nach uns sich das nicht antun möchten, dann haben sie einfach verdammt recht! Denn unser eigenes System des glorifizierten Leidens ist ein Irrweg.
Anstatt auf diese jungen Männer und Frauen herabzublicken oder sie zu belehren, Stichwort „Opa erzählt vom Krieg“, sollten wir sie in ihrer Haltung bestärken. Denn uns hat unser Weg kein Glück gebracht. Und wir haben diesen ja auch keineswegs freiwillig eingeschlagen. Wir sind nur zu einer Zeit ins Berufsleben eingestiegen, als du gar nicht anders überlebt hast. Denn für jeden guten Job, für den wir uns damals beworben haben, da gab es 500 andere, die den auch wollten. Bekommen hast du den Job dann nur, wenn du härter, besser oder leidensfähiger warst. Oder am besten alles zusammen.
Es wird Zeit Mauern einzureißen und alte Zöpfe abzuschneiden! Es sagt nämlich niemand, dass nur unser Weg, der einzig mögliche ist. Anstatt selbstgerecht im Weg zu stehen, sollten wir alles tun, dass sich etwas ändert. Und was wir nicht mehr schaffen, das werden die nach uns übernehmen. Wenn man dabei ein wenig zu selbstverliebt und ich-bezogen ans Werk geht, dann ist das okay. Niemand ist ohne Fehler. Die jungen Wilden von heute werden unweigerlich auf eine nächste Generation treffen, die sie wiederum in Frage stellt. Denn aus Revolution wird Establishment. ...und das wird sie dann sehr wundern. C´est la vie!
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