Peter Hollo: Covid 19 - Oder hatten die Globalisierungsgegner doch Recht?

Hamsterkäufe kenne ich eigentlich nur aus den Erzählungen meiner Oma ...und ich bin 56 Jahre alt. Das heißt das Thema ist schon ganz schön lange her. Oder ach nein, auch nicht von meiner Oma, die war nämlich lebenslang vom Krieg so traumatisiert, dass sie niemals darüber sprach. Genauso wenig wie mein Vater oder meine Mutter, die das alles als Kinder erlebt haben. Aber darum soll´s hier nicht gehen.

 

Die Deutschen hamstern Nudeln, Klopapier und Desinfektionsmittel. Nein kein Desinfektionsmittel und auch keine Atemschutzmasken, denn all das ist inzwischen flächendeckend ausverkauft und wird nur noch von einigen "Kriegsgewinnlern" zu horrenden Abzockepreisen angeboten. Sie erinnern sich vielleicht, vor ziemlich genau einem Monat habe ich über die wirtschaftliche Krise, die auf unsere Branche zukommen wird geschrieben. Mittlerweile ist aus einer kleinen wirtschaftlichen Krise eine weltweite geworden und Deutschland hat sich in einen Hort der Panik, der Hysterie und der zunehmenden Irrationalität verwandelt. Erste Mediziner und anerkannte Virologen beginnen bereits öffentlich darüber zu sprechen, dass die in der derzeitigen mäßigen Gefährdungslage verordneten Maßnahmen kritischer für Patienten sein könnten als die Gefährdung durch Covid 19 selbst. Viel hilft halt nicht immer viel. Aber auch darum soll´s heute nicht gehen. Und mal ganz ehrlich, ich möchte in der Haut keines Politikers stecken, der hier entscheiden muss. Zu gewinnen gibt´s hier nichts. Aber viel zu verlieren.

 

Für mich zeigt die momentane Lage sehr eindrucksvoll wie vulnerabel und wie fragil unser ganzes gesellschaftliches System ist und in welcher trügerischen Sicherheit wir doch leben. Schon bei einer mäßigen Störung, wir erinnern uns bitte, wir haben in Deutschland jedes Jahr etwa 1.700 Tote durch "reguläre Influenza" und sind davon noch meilenweit entfernt, schon bei der kleinsten Störung bricht das System zusammen. Was passiert denn wenn wir mal in eine deutlich weiter reichende Krise kommen? 

 

Und die momentane Lage zeigt sehr eindrucksvoll wie gefährlich die weltweite wirtschaftliche Vernetzung geworden ist. Ich bin zwar immer noch der Meinung, dass der intensive freie weltweite Handel die letzten 70 Jahre mehr Kriege verhindert hat, als es jede Diplomatie jemals möglich gemacht hätte. Dennoch sind wir an einem Punkt angelangt, an dem wir mal innehalten und nachdenken sollten ...und vielleicht sogar müssen. Hatten die Globalisierungsgegner vielleicht doch recht? Wenn heute in Deutschland die Bänder stillstehen und Unternehmen und Arbeitnehmer*innen um ihre Existenz fürchten müssen, weil irgendwo auf der Welt eine Krise ist und ein Bauteil nicht geliefert werden kann, dann läuft etwas falsch. Gehen wir mal davon aus, dass kein Bauteil an einem Produkt unnötig ist, dann reichen schon kleinste fehlende Komponenten aus um die Produktion unmöglich zu machen. Von der Waschmaschine, über das Auto, von der Unterhaltungselektronik bis zum Spielzeug. Denn wollen wir mal nicht so tun, als würden deutsche Spielwarenhersteller keine Komponenten in China zukaufen. Was ist dann mit denen, die ausschließlich in China produzieren? Für die Antwort brauchen Sie keinen Doktortitel in Betriebswirtschaft. Werden wir hier zu Opfern der eigenen Pfennigfuchserei?

 

In dem Bestreben alles immer billiger zu machen, haben wir vielleicht das Große und Ganze übersehen. Wie sehr wir der Gesellschaft, unserem Land, damit schaden und wie antisozial wir uns damit verhalten. Indem Unternehmen Gewinne einstreichen und Verluste sozialisieren. Soll sich doch der Staat, also wir alle mit unseren Steuern und Abgaben, um die kümmern, die keine Jobs mehr finden. Nicht weil das alles Sozialschamrotzer sind, sondern weil es bestimmte (massentaugliche) Jobs in Deutschland gar nicht mehr gibt. Und diesen Fragen müssen wir uns stellen ohne den Dumpfbackennationalsimus von Rechts und ohne Träume von Autarkie und Neokolonialismus. Kein einfacher Spagat.

 

Wie brandgefährlich das alles ist sollte uns die Tatsache vergegenwärtigen, dass China ein totalitäres System ist. China ist in der Lage und wirtschaftlich mächtig genug - etwa 17% der weltweiten Wirtschaftsleistung entfallen auf China - jede noch so beliebige Entscheidung zu treffen. Und jedem wirtschaftlichen Gegner im Handstreich die Lichter auszublasen. Indem man aus taktischen Gründen einfach die Produktion bestimmter Halb- und Fertigprodukte einstellt. Auch hier erinnern wir uns wieder, dass unsere Branche auf Gedeih und Verderb an China hängt. Etwa 80% aller Spielwaren weltweit werden in China produziert.

 

Und es ist doch nicht nur China. Wie lange wollen wir Europäer uns eigentlich noch von "fremden Mächten" abhängig machen? Hochtechnologie kommt nicht nur aus China. Was das Internet in all seinen Facetten betrifft, da befinden wir uns in vollkommener Abhängigkeit von den USA. In unserer vernetzten cloudbasierten Kultur und Wirtschaft können uns die USA jederzeit zurück in die Steinzeit schicken. Da wollen wir alle mal schön brav sein. Ich weiß nicht ob Ihnen das bewusst ist, aber Ihr Navi im Auto hängt von einem im Grunde militärischen System der USA ab, das dazu dient Lenkwaffen überall auf der Welt sicher ins Ziel zu bringen. Ein Grund dafür, dass Ihr Navi nicht vollkommen genau funktioniert. Das ist so programmiert um militärischem Missbrauch vorzubeugen. Wie dem auch sei. Dreht man uns hier den Strom ab, dann finden wir nicht mal mehr den Weg zum Einkaufen. Eine europäische Lösung? Bisher Fehlanzeige. 

 

Was jetzt in den letzten Zeilen so ein wenig humorig daher kommt wird spätestens dann bitterer Ernst, wenn uns klar wird, dass einzelne pharmazeutische Grundstoffe oder Krebsmedikamente zu 90% aus China und Indien kommen. Und spätestens jetzt verschwindet jedes ironische Grinsen aus dem Gesicht.

 

Hier geht´s nicht um den Aufbau von Feindbildern oder dumpfen Nationalismus indem beliebte Klischees genutzt werden. Es geht darum, dass wir diese Krise dazu nutzen uns mal intensiv Gedanken zu machen. Gesellschaftlich, wirtschaftlich und politisch. Aber dafür, so befürchte ich, ist diese Krise nicht groß genug. Obwohl sie kürzlich an den Aktienmärkten etwa 7000 Millionen Dollar (sieben Milliarden klingt so harmlos) in einer einzigen Woche verschlungen hat. Bald heißt es wieder Business as usual und alles geht so weiter, wie gehabt.

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